Eine einfache Übung, die Männer nervös werden ließ
Ich möchte eine Erfahrung zum Thema „Männer und Entspannung“ mit Dir teilen, die mir bis heute sehr eindrücklich in Erinnerung geblieben ist.
Aber von vorne. Einmal im Jahr (wenn nicht gerade Corona ist) biete ich zusammen mit meiner Frau und ihrer Wildnisschule Feder und Kraut eine Waldübernachtung für Väter und ihre Kinder an. Nach der aufregenden Nacht, in der selbst gebauten Schutzhütte und mit all den ungewohnten Geräuschen im Wald, biete ich eine Solozeit für die Väter an. Der Inhalt ist immer unterschiedlich – dieses Mal sollte es eine Sitzplatzübung sein.
Sitzplatz? Erkläre ich kurz.
Der Sitzplatz gehört zu den Kernroutinen in der Wildnispädagogik. Es ist ein Ort in der Natur, den Du gut erreichen kannst und an dem Du Dich wohlfühlst. Man könnte auch sagen, der Platz findet Dich. Du suchst diesen Ort regelmäßig auf, lernst die Pflanzen, Besucher und Bewohner kennen und diese Dich. Du gehst ohne Absicht zu diesem Platz, sondern schaust, was er Dir zu jedem Zeitpunkt zu offenbaren hat. Ein sehr mächtiges und schönes Werkzeug. Aber auch herausfordernd, wie jede Routine, die Du beginnst. Denn, Du musst Dir den Raum und damit auch die Erlaubnis geben.
Die Herausforderung ist, dass der Sitzplatz im modernen, westlich-kulturellen Sinne, keine produktive Tätigkeit oder Arbeit darstellt. Sondern eine Zeit für Beobachtung, Reflexion, Erkenntnisse und Wachstum.
Die Überforderung
Zur Vorbereitung versammelten wir uns im Kreis, haben noch ausgesprochen, was gesagt werden wollte und uns dann einigen beruhigenden Atemübungen, als Fokus und Anker gewidmet. Anschließend ging jeder Vater für sich los, um seinen Platz zu suchen.
Die Aufgabe bestand darin, 20 Minuten dort zu bleiben, ruhig zu atmen und zu beobachten, sowohl im Innen als auch im Außen. Keiner der Männer hat die 20 Minuten ausgehalten. Der erste hat nach vier Minuten abgebrochen und angefangen seine Sachen zusammenzupacken. Das längste Ergebnis waren 15 Minuten, davon aber die letzten fünf Minuten schon sehr nervös.
Spannend war die anschließende Reflexionsrunde. Es waren alles Männer, die es gewohnt waren, dass Forderungen und Aufgaben an sie gestellt werden – sowohl beruflich als auch privat. Alle gaben an, gestresst zu sein und keiner war es gewohnt, Raum für sich und die eigene Entspannung zu haben. Das gefühlte „Nichtstun“ führte bei ihnen zu einer unglaublichen Unruhe.
So bizarr, es für einige jetzt vielleicht auch klingen mag – die zwanzig Minuten Sitzplatz waren komplett außerhalb der gewohnten „Komfortzone“ und es fühlte sich für sie nicht richtig an, „nichts“ zu machen. Dabei hatten sie ja die Absolution, den gegebenen Raum und sogar eine Aufgabe. Diese hatte für die beteiligten Väter aber kein messbares Ergebnis.
Tatsächlich kann so eine Innenreflexion auch beängstigend sein, weil dann Bedürfnisse, Sehnsüchte und Einsichten auftauchen können, die in der reinen Alltagsbewältigung oder in der partnerschaftlichen Dynamik gekonnt ignoriert werden.
Dieselbe Übung hat meine Frau kürzlich mit einer Gruppe Frauen durchgeführt – hier war das Ergebnis ein anderes. Viele haben es genossen und wären am liebsten sitzen geblieben.
Männer und Entspannung – passt das zusammen?
Natürlich ist es leicht, hier in Geschlechterstereotypen zu denken. Selbstverständlich gibt es auch Männer, die entspannen können und Frauen, die es nicht können. Die Grundausprägung ist allerdings recht deutlich. Und da kommen die Männer nicht so gut weg. Gesellschaftlich ist das Thema Selbstfürsorge und Auszeit bei den Frauen eher legitimiert, während Männer von sich selbst und anderen, Performance erwarten und das Bedürfnis nach Entspannung oftmals als Schwäche sehen.
Ich stelle auch bei der Bewegung fest, dass viele Männer die Qualität eines Trainings nur nach der Intensität der Belastung beurteilen und dem Training der Beweglichkeit und der Entspannung wenig Bedeutung beimessen.
Entspannung funktioniert natürlich bei jedem anders. Für einige ist es der Yogakurs oder die Meditation, jemand anderes baut Modellautos oder geht angeln. Selbst die Laufrunde am Morgen bedeutet für einige Entspannung, während es für andere völlig abwegig ist und den Kampf ums Überleben darstellt.
Fakt ist aber – ohne körperliche und mentale Auszeiten geht es nicht. Dann gerät unser System aus der Balance und Stress entsteht. Denn Stress ist ein Zustand, in dem die Anspannung dauerhaft größer als die Entspannung ist. Und da haben Frauen ein deutlich besseres Körpergefühl und eine bewusstere Wahrnehmung ihrer Grenzen.
Wie kommst Du in Deine Entspannung und was brauchst Du dafür? An welche Grenzen stößt Du – bei Dir selbst und in Deinem Umfeld?
Bleibt in Eurer Balance.
Paul
Du würdest gerne in Deine Entspannung kommen, aber schaffst es nicht alleine? Dann begleite ich Dich gerne auf Deinem Weg. Schau Dich doch mal bei den Angeboten NATÜRLICH GESUND und NATÜRLICH MANN um.